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Selma David, geborene Lengel [*1901]

Geboren am 10.04.1901 in Dąbrowa, Galizien, Österreich-Ungarn (heute Dąbrowa Tarnowska, Polen), gestorben in Ravensbrück
Selma Lengel, Lüneburg 1917; Privatbesitz Joan Lengel
Selma Lengel, Lüneburg 1917; ...

Wohnort

Familie Hirsch Lengel (1919-1940)
Witwe Esther Feintuch (1925)
Familie Heinrich Kapp (1926-1933)
Albert und Anna Horwitz (1941-????)

Salzbrückerstraße 64 (69)
21335 Lüneburg

Selma Lengel wurde 1901 in Dabrowa in Galizien (damals Österreich-Ungarn) geboren. Sie war das dritte Kind von Hirsch und Bertha Lengel geb. Lirt. Ihre jüngere Schwester Sonia kam auch noch in Dabrowa zur Welt.

Als Selma drei Jahre alt war, verließen die Eltern mit vier kleinen Kindern ihre Heimat und gingen nach Deutschland, nach Lüneburg. Sie wohnten dort ab 1904 zunächst in der Salzbrückerstraße 23 in der westlichen Altstadt, später u.a. in der Papestraße nahe der Johanniskirche. In den kommenden Jahren wurden in Lüneburg vier weitere Geschwister geboren. Selma wuchs im Kreise dieser großen Familie in Lüneburg auf.

Ihr Vater Hirsch Lengel arbeitete als Produkten- und Kohlenhändler, langsam ging es wirtschaftlich bergauf. Nachdem Hirsch Lengel aus dem Ersten Weltkrieg zurückgekommen war, konnte die Familie ein großes Haus in der Salzbrückerstraße 64 kaufen, das von 1919 an ihr Wohn- und Arbeitsort war.

Selma und ihre Geschwister gingen in Lüneburg zur Schule und begannen Ausbildungen. In den 1920er und 1930er Jahren lebte und arbeitete Selma eine Weile in Berlin, Halberstadt und Hamburg. Zwischendurch kehrte sie jedoch immer wieder nach Lüneburg zurück. Vielleicht half sie ihren Eltern oder ihrer Schwester Sophie im Geschäft oder arbeitete in anderen Betrieben in Lüneburg.

Mit dem Beginn des NS-Regimes 1933 wurde es für die Lengels wie für alle jüdischen Familien in Lüneburg angesichts antisemitischer Gesetze und Schikanen immer schwerer, ihren Lebensunterhalt zu verdienen. 1935 wurde allen Familienmitgliedern die preußische Staatsbürgerschaft entzogen, die sie seit 1923 innehatten. Sie waren nun offiziell staatenlos, was auch bedeutete, dass sie ohne jeden Schutz waren.

Als erstes Mitglied der Familie Lengel verließ Selmas ältere Schwester Sophie Kapp geb. Lengel mit Mann und Kindern das Land. Sie zogen im Herbst 1933 nach Frankreich: Zunächst nach Straßburg im Elsass, dann 1934 weiter ins südfranzösische Toulouse. 1935 floh auch Selma, die seit 1933 wieder bei den Eltern in Lüneburg lebte, aus Deutschland. Sie ging zunächst nach Lyon und zog später zur Familie ihrer Schwester Sophie nach Toulouse. Dort lernte sie Joseph David kennen, der ebenfalls aus Deutschland geflohen war, er stammte aus Köln. Selma und Joseph heirateten bald darauf in Toulouse.

Im Zweiten Weltkrieg gehörte Toulouse zwar zur "Freien Zone", d.h. war nicht direkt von den Deutschen besetzt. Aber das französische Vichy-Regime, das mit den Deutschen eng zusammenarbeitete, erhöhte gemeinsam mit der Gestapo nach und nach auch den Druck auf den Süden Frankreichs. Antisemitische Schikanen und Verfolgung nahmen zu, Razzien waren an der Tagesordnung. Zuerst wurden die deutschen Männer interniert, darunter auch Selmas Mann Joseph.

Anfang 1942 wurde auch Selma selbst zusammen mit ihrer Schwester Sophie Kapp und deren Kindern in ein Lager verschleppt: das Internierungslager Récébédou bei Toulouse. Nach einigen Monaten wurden sie wieder entlassen.

Zusammen mit ihrer Schwester Sophie und Familie versuchte Selma danach in Toulouse, noch irgendwie zu überleben. Ihre Männer saßen beide in Internierungslagern fest. Ab dem Sommer 1942 gab es von ihnen keine Lebenszeichen mehr.

Alle Familienmitglieder waren ständig in Angst, wiederum festgenommen zu werden. Hinzu kamen große finanzielle Probleme. Nach der Landung der Alliierten in der Normandie im Juni 1944 hofften sie auf ein baldiges Ende des Krieges und der Judenverfolgung. Aber Ende Juli 1944 gerieten Selma David geb. Lengel zusammen mit ihrer Schwester Sophie in Toulouse erneut in eine Razzia. Sie wurden am 30. Juli 1944 direkt vom Gefängnis in Toulouse ins deutsche KZ Ravensbrück deportiert.

In diesem völlig überfüllten Lager, in dem katastrophale Lebensbedingen herrschten, kam Selma David geb. Lengel 1944 oder 1945 ums Leben. Ihre Schwester Sophie wurde noch im März 1945 auf einen Todesmarsch nach Bergen-Belsen getrieben. Sie überlebte den Horror der Lager, starb aber kurz nach der Befreiung Bergen-Belsens durch britische Soldaten am 15. April 1945.



Quellen und Infos:

Zum Lager Récébédou (mit Links zu französischen Websites): https://www.gedenkorte-europa.eu/content/list/374/

Mémorial de la Shoah, Paris: Erinnerung an Selma David geb. Lengel und Joseph David (mit Links zur „Mur des Noms“ und zu Deportationslisten):

https://ressources.memorialdelashoah.org/notice.php?q=fulltext%3A%28Selma%20David%29%20AND%20id_pers%3A%28%2A%29&spec_expand=1&start=0

https://ressources.memorialdelashoah.org/notice.php?q=fulltext%3A%28Joseph%20David%29%20AND%20id_pers%3A%28%2A%29&spec_expand=1&start=0

Fondation pour la Mémoire de la Déportation: Eintrag für Selma David und Sophie Kapp („Sophie Cap“) auf der Liste des Transports von Toulouse nach Ravensbrück („Ra“) und Buchenwald, 30. Juli 1944: http://www.bddm.org/liv/details.php?id=I.252.#CAP