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Sophie Kapp, geborene Lengel [*1899]

Geboren am 06.11.1899 in Dąbrowa, Galizien, Österreich-Ungarn (heute Dąbrowa Tarnowska, Polen), gestorben im Jahr 1945 in Bergen-Belsen im Alter von 46 Jahren
Sophie Lengel, Lüneburg 1917; Privatbesitz Joan Lengel
Sophie Lengel, Lüneburg 1917; ...
Sophie und Heinrich Kapp, Lüneburg, 1925; Privatbesitz Joan Lengel
Sophie und Heinrich Kapp, Lüneburg, ...

Wohnort

Familie Hirsch Lengel (1919-1940)
Witwe Esther Feintuch (1925)
Familie Heinrich Kapp (1926-1933)
Albert und Anna Horwitz (1941-????)

Salzbrückerstraße 64 (69)
21335 Lüneburg

Wohnort

Familie Heinrich Kapp (ca 1925-1930)

Vor der Sülze 1
Lüneburg

Wohnort

Familie Heinrich Kapp (1931-1933)

Ringstraße 22
Lüneburg

Sophie Lengel wurde 1899 in Dabrowa in Galizien (damals Österreich-Ungarn) geboren. Sie war das zweite Kind von Hirsch und Bertha Lengel geb. Lirt. Ihre nächstjüngeren Schwestern Selma und Sonia kamen auch noch in Dabrowa zur Welt.

Als Sophie vier Jahre alt war, verließen die Eltern mit vier Kindern ihre Heimat und gingen nach Deutschland, nach Lüneburg. Sie wohnten dort ab 1904 zunächst in der Salzbrückerstraße 23 in der westlichen Altstadt. In den kommenden Jahren wurden in Lüneburg vier weitere Geschwister geboren. Sophie Kapp wuchs im Kreise dieser großen Familie in Lüneburg auf. Ihr Vater Hirsch Lengel arbeitete als Produkten- und Kohlenhändler, langsam ging es wirtschaftlich bergauf. Nachdem Hirsch Lengel aus dem Ersten Weltkrieg zurückgekommen war, konnte die Familie ein großes Haus in der Salzbrückerstraße 64 kaufen, das von 1919 an ihr Wohn- und Arbeitsort war.

Im August 1925 heiratete Sophie Kapp in Lüneburg den aus Hechtsheim bei Mainz stammenden Kaufmann Heinrich Kapp. Die beiden bauten sich in der Straße Vor der Sülze, ganz in der Nähe, ein kleines Kurzwaren- und Wäschegeschäft auf. Dort wohnten sie auch von 1927 bis 1930, später dann in einer modernen Wohnung in der Ringstraße.

1926 wurde ihre Tochter Hanna Josephine geboren, 1928 ihr Sohn Manfred Siegbert. Nach dem Beginn des Nazi-Regimes 1933 gehörten die Kapps zu den ersten jüdischen Familien in Lüneburg, die das Land verließen. Sie zogen im Herbst 1934 nach Frankreich: Zunächst nach Straßburg im Elsass, dann 1934 weiter ins südfranzösische Toulouse. Es war sehr schwer, sich dort als deutsche Emigranten eine Existenz aufzubauen, zumal mit einem nicht gesicherten Aufenthaltsstatus. Später floh auch Sophies Schwester Selma Lengel aus Deutschland und kam zu den Kapps nach Toulouse. Sie heiratete dort Joseph David, der ebenfalls aus Deutschland geflohen war.

Im Zweiten Weltkrieg gehörte Toulouse zwar zur "Freien Zone", d.h. war nicht direkt von den Deutschen besetzt. Aber das französische Vichy-Regime, das mit den Deutschen eng zusammenarbeitete, erhöhte gemeinsam mit der Gestapo nach und nach auch den Druck auf den Süden Frankreichs. Antisemitische Schikanen und Verfolgung nahmen zu, Razzien waren an der Tagesordnung. Als der Krieg 1940 nach Frankreich kam, meldete sich Sophies Mann Heinrich zur französischen Armee und hoffte, so einer Internierung als "feindlicher Ausländer" zu entgehen. Leider ohne Erfolg: Nach Ende seiner Armeezeit wurde er im Herbst 1941 im Lager Récébédou bei Toulouse interniert.

Anfang 1942 wurde auch Sophie Kapp mit ihren beiden Kindern im Jugendalter in dieses Lager verschleppt. Nach einigen Monaten wurden sie wieder entlassen. Sophies Mann Heinrich Kapp musste allerdings im Lager bleiben. Von Récébédou brachte man ihn ins Lager Le Vernet. Im August 1942 wurde er von dort zusammen mit rund 750 anderen Internierten ins Durchgangslager Drancy und am 25. September 1942 in einem noch größeren Transport weiter nach Auschwitz deportiert.

Währenddessen versuchten Sophie Kapp und ihre Kinder, in Toulouse irgendwie zu überleben. Sie waren ständig in Angst, wiederum festgenommen zu werden. Hinzu kamen große finanzielle Probleme. Nach der Landung der Alliierten in der Normandie im Juni 1944 hofften sie auf ein baldiges Ende des Krieges und der Judenverfolgung.

Aber Ende Juli 1944 gerieten Sophie Kapp und ihre Schwester Selma David geb. Lengel in Toulouse erneut in eine Razzia. Sie waren gemeinsam mit Manfred und seiner Schwester in der Stadt unterwegs gewesen, wollten jedoch auf einem anderen Weg als die Kinder nach Hause gehen. Dort kamen Sophie und Selma nie an. Sie wurden am 30. Juli 1944 direkt vom Gefängnis in Toulouse ins deutsche KZ Ravensbrück deportiert.

Nach einigen Monaten in diesem völlig überfüllten Lager, in dem katastrophale Lebensbedingen herrschten, wurde Sophie Kapp im Februar oder März 1945 im Rahmen der Auflösung von Ravensbrück noch auf einen „Todesmarsch“ getrieben, der schließlich im KZ Bergen-Belsen in der Lüneburger Heide endete. Dort starben die Häftlinge in den letzten Kriegswochen in riesiger Zahl an Hunger und verschiedenen Seuchen. Sophie überlebte zwar den Horror des Lagers. Sie starb aber kurz nach der Befreiung Bergen-Belsens durch britische Soldaten am 15. April 1945.

An ihrem Wohnort Vor der Sülze erinnern vier Stolpersteine an Sophie Kapp und ihre Familie.


Quellen und Infos:

Yad Vashem, „Page of Testimony“ für Sophie Kapp geb. Lengel: https://collections.yadvashem.org/en/names/658859

Zum Lager Récébédou (mit Links zu französischen Websites): https://www.gedenkorte-europa.eu/content/list/374/

Mémorial de la Shoah, Paris: Erinnerung an Sophie Kapp: https://ressources.memorialdelashoah.org/notice.php?q=sophie%20cap&spec_expand=1&start=0

Mémorial de la Shoah, Paris: Sophie Kapp, Heinrich Kapp („Heinrich Karp“) und Selma David auf der „Mur des Noms“ (Mauer der Namen): https://ressources.memorialdelashoah.org/zoom.php?code=468626&q=id:p_216163&marginMin=0&marginMax=0&curPage=0

Fondation pour la Mémoire de la Déportation: Eintrag für Sophie Kapp („Sophie Cap“) und ihre Schwester Selma David auf der Liste des Transports von Toulouse nach Ravensbrück („Ra“) und Buchenwald, 30. Juli 1944: http://www.bddm.org/liv/details.php?id=I.252.#CAP